Autor Thema: Ich hör den Wald  (Gelesen 761 mal)

Sokrafisch

Ich hör den Wald
« am: November 19, 2016, 21:32:39 »
Ich hör das Scheit im Feuer knacken
und den Gefährten Brennholz hacken,
das Schweinefleisch im Schmalze schmurgeln
und wie die nahen Gumpen gurgeln.

Ich hör die Brut des Uhus brabbeln,
den Igel durch die Kräuter krabbeln,
im Wurzelloch nach Futter kramen,
nach Würmern, Schnecken, Pflanzensamen.

Ich hör den Wind mit Wipfeln witzeln,
die Kronen kosen, kraulen, kitzeln
und säuselnd, so als würd er schmeicheln,
die Sträucher und Gestrüppe streicheln.

Ich hör den späten Vogel flattern,
um einen Falter zu ergattern
und dann ein Blatt hinunterpurzeln,
vom Ast zurück zu seinen Wurzeln.

Ich hör den Laut von tausend Dingen
aus dieser großen Stille dringen
und möchte mich vor ihr verneigen
mit tiefem, innerlichem Schweigen.
« Letzte Änderung: Februar 10, 2017, 17:46:56 von Sokrafisch »

Curd Belesos

Re: Ich hör den Wald
« Antwort #1 am: November 19, 2016, 22:08:56 »
moin moin Sokrafisch,

das ist wie ein "Dankgebet" an die Natur, das Erkennen, das Schätzen und das Begreifen.
Ein wundervolles Gedicht. S3 hat es mir besonders angetan.

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

gummibaum

Re: Ich hör den Wald
« Antwort #2 am: November 19, 2016, 22:32:16 »
Hallo Sokrafisch,

ein sehr gelungenes Gedicht, das die vielfältigen Vorgänge im Wald lautmalend zum Ausdruck bringt und zeigt, wie heilsam ihre Wahrnehmung auf die Seele wirkt.

Sehr gern gelesen.

LG gummibaum



Erich Kykal

Re: Ich hör den Wald
« Antwort #3 am: November 19, 2016, 23:01:20 »
Hi Sokrafisch!

Nicht zu abgehoben lyrisch (nichts killt die Stimmung besser als "salbungsvolle Seelenglut", verbunden mit überkomplexer sprachlicher Anmutung), nicht zu bodenständig naiv formuliert - man hat das Gefühl einer unverstellten, unprätentiösen, tiefen Liebe zur Natur, die sich hier beschreibt und feiert, ohne sich in pathetischen Girlanden zu verlieren oder in kartoffelseligem Heimatgedöns zu ersticken.

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
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