Autor Thema: Dem Baum  (Gelesen 1329 mal)

gummibaum

Dem Baum
« am: September 06, 2014, 15:27:40 »
Lass mich dir sagen, was du trägst, ist gut.
Es reifte deine Frucht in meiner Nähe.
Und falls ich jemals schönere auch sähe,
ich ließe sie. In deiner liegt die Glut.

Ich pflücke mir die Äpfel nur bei dir.
Du blühtest weiß, als meine Früchte reiften,
oft war es mir, als ob sich Blicke streiften,
dann wuchsen mir die Blüten auf Papier.

Was mich beflügelte, gab meinen Augen Glanz.
Und dieser Glanz ließ deine Säfte steigen,
und was mich glühen ließ, ist deiner Frucht zu Eigen.
Ein jeder Biss erweckt mein Blut zum Tanz.

cyparis

Re:Dem Baum
« Antwort #1 am: September 09, 2014, 08:24:00 »
Lieber Gummibaum,


einfach wunderschön!
Ich bewundere immer wieder Deine Fähigkeit, Stoffliches mit Philosophischem zu verschmelzen, was Dir hier wieder ausgezeichnet gelungen ist.


Herzlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Dem Baum
« Antwort #2 am: September 09, 2014, 09:37:36 »
Hi, Gum!

Ein paar Winzigkeiten:


Lass mich dir sagen, was du trägst, ist gut.
Es reifte deine Frucht in meiner Nähe.
Und falls ich jemals schönere auch sähe, Statt des "falls" ein "so", möglicherweise sogar "ob".
ich ließe sie. In deiner liegt die Glut.

Ich pflücke mir die Äpfel nur bei dir. Schöner: "...jeden Apfel..."
Du blühtest weiß, als meine Früchte reiften, Das ist als Bild schwer verständlich: Ein Baum, der bei einem anderen Baum Äpfel pflückt!?
oft war es mir, als ob sich Blicke streiften,
dann wuchsen mir die Blüten auf Papier. Sehr poetisch!

Was mich beflügelte, gab meinen Augen Glanz. Zeile 1 und 3 sind in dieser Str. einen Heber länger (6). Bewusst?
Und dieser Glanz ließ deine Säfte steigen,
und was mich glühen ließ, ist deiner Frucht zu Eigen.
Ein jeder Biss erweckt mein Blut zum Tanz. Hier möchte ich andenken, ein drittes "und" am Beginn zu riskieren. Sprachlich wäre es viel schöner als das "ein", und Rilke hatte bisweilen auch kein Problem damit.



Sehr gern gelesen! Die einzige Schwierigkeit war wie gesagt das Bild vom Baum, der einem anderen Baum die Äpfel pflückt und isst. Das Gleichnis würde funzen, wenn eins ein Baum wäre und eins ein Mensch, der die Früchte genießt - so aber wirkt es etwas seltsam und im ersten Lesen eher etwas  verwirrend.

LG, eKy
« Letzte Änderung: September 10, 2014, 18:01:41 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Dem Baum
« Antwort #3 am: September 09, 2014, 17:55:49 »
Hallo Erich,

vielen Dank. Zunächst zur Erklärung: Der Baum steht vor meinem Fenster und begleitet mich durchs Jahr. Er blühte, als ich Gedichte schrieb ("als mir die Früchte reiften") und so, wie er mich unterstützt hat ("Blüten auf Papier"), so ich ihn ("ließ deine Säfte steigen"). Seine Äpfel enthalten ganz klar meine Glut und wenn ich hineinbeiße, kehrt diese in mich zurück ("erweckt mein Blut zum Tanz").

Deine Vorschläge sind wie immer gut, Erich. Das dritte "und" hatte ich vorher da stehen, hab's aber gelöscht, denn es schien mir etwas zu viel "und" in der Strophe.

Liebe Grüße
gummibaum

gummibaum

Re:Dem Baum
« Antwort #4 am: September 10, 2014, 18:04:18 »
Hallo Cyparis,

ich habe deine Antwort übersehen. Sorry. Im Nachhinein ganz lieben Dank.

LG gummibaum