Autor Thema: Vor der Schlacht  (Gelesen 1244 mal)

Erich Kykal

Vor der Schlacht
« am: M?RZ 23, 2019, 10:36:44 »
Der Morgen küsst die Hügelränder,
das Schlachtfeld ist zum großen Sturm bereit.
Die Knöpfe blank, geordnet die Gewänder,
berührt ein jeder seine Zeit

und fragt sie bange, ob sie ende
an diesem Tage, der wie Feuer brennt.
Doch keine Seele, die ihr Schicksal wende,
und keine, die es vorher kennt.

So stehen sie im Morgenwrasen,
der rasch sich heben muss, wo Sonne steigt,
und bald schon wird man zur Attacke blasen
auf einen Feind, der sich dann zeigt.

Ein Beten sickert durch die Reihen,
doch jeder muss, denn er ist Untertan,
dort mit hinaus und an Verderben speien,
was möglich ist nach einem Plan.

Wie viele werden diesmal fallen?
Wer feiert heute seinen großen Sieg?
Ein Säbel hebt sich und die Hörner schallen
zum großen Fressen für den Krieg.
« Letzte Änderung: Juli 21, 2019, 00:20:00 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Vor der Schlacht
« Antwort #1 am: M?RZ 23, 2019, 12:08:46 »
Lieber Erich,

das waren Momente großer Adrenalinausschüttung, und die Gebete derer, die ganz vorn standen, müssen innig gewesen sein. Dein Gedicht bringt die Angst und Anspannung hervorragend zum Ausdruck. Du bist zur Zeit wieder sehr schöpferisch und das auch bei ausgefallenen Themen.

Liebe Grüße von gummibaum

Erich Kykal

Re: Vor der Schlacht
« Antwort #2 am: M?RZ 23, 2019, 16:45:58 »
Hi Gum!

Vielen Dank! Ist dir das Querreimschema aufgefallen?

Im anderen Faden "Unverzeihlich" habe ich ebenfalls Querreime, allerdings dort nach dem Schema: Heber 5454, Reime ABBA.

Das Schema hier: Heber 4554, Reime ABAB.

Beide Querreimsorten sorgen für ein marginales lyrisches Ungleichgewicht beim Leser, eine leise innere Störung der Balance, was sich hervorragend für sozialkritische oder andere schwierige Themen eignet, um die Zerrissenheit dieser Welten zu vermitteln.

Thomas (gedichte-eiland) hat mich drauf gebracht.

Zum Inhalt: Beschrieben wird eine Schlacht, wie sie noch bis in die 1870er üblich war: Man ging in bunten Uniformen, Gewehr gehoben, in militärisch korrekten Reihen und Abteilungen einfach aufeinander zu, schoß einmal und kämpfte dann im Getümmel mit dem Bajonett. Kanonentreffer zerrissen die Menschen willkürlich, und selbst 10jährige Kinder marschierten als Trommler, Trompeter oder Fahnenträger vorneweg mit! Heute unvorstellbar ...

Natürlich wird heute nicht mehr so gekämpft (zum Glück), und es wäre schön, wenn die Menschheit diese lebensverachtende Blödheit überhaupt endlich sein lassen könnte! Aber auch heutzutage werden den Soldaten im Feld wohl ähnliche Dinge durch den Kopf gehen.
Zumindest dürfen sie dankbar sein, dass niemand sie mehr zwingt, offen und aufrecht, als farbenfrohes Ziel, gemessen schreitend auf bereits feuernde feindliche Linien zuzumarschieren! (Im ersten Weltkrieg durften sie dabei wenigstens schon rennen!)

LG, eKy
« Letzte Änderung: M?RZ 23, 2019, 17:01:36 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Vor der Schlacht
« Antwort #3 am: M?RZ 23, 2019, 18:12:16 »
Nein, Erich, ist mir nicht aufgefallen. Ich kannte den Begriff auch nicht und hätte beim Jambus einfach unterschiedliche Silbenzahl (9, 10, 11, 8) entdeckt. Aber danke.

LG gummibaum.


Sufnus

Re: Vor der Schlacht
« Antwort #4 am: M?RZ 24, 2019, 14:58:58 »
Hi eKy!

Ein beklemmender Zeitsprung in die frühen Morgenstunden des 2. Dezember 1805.

Der Nebel ("Wrasen") beginnt sich zu lichten, bald wird sich "le beau soleil d'Austerlitz" am Himmel zeigen und das gegenseitige Abschlachten kann beginnen.

Das von Thomas im Eiland vorgestellte Querreim-Schema passt in seiner Sperrigkeit sehr gut zu diesem Thema, bei dem der Kopf des Lesers eingeschaltet bleiben sollte und eine allzu "gefälliger", glatt gebügelter Stil nicht angemessen wäre.

Für alle, die den Begriff "Querreim" noch nicht ganz einordnen können: Bei "klassisch" gereimten Gedichten, achtet der Dichter normalerweise darauf, dass die sich reimenden Zeilen eine gleiche Anzahl an Hebungen haben, z. B.

Ich saß auf einem Steine
und deckte Bein mit Beine,
darauf der Ellenbogen stand;
es schmiegte sich in meine Hand,
das Kinn und eine Wange.
Da dacht ich sorglich lange,
dem Weltlauf nach und ird'schem Heil;
doch wurde mir kein Rat zuteil...

Die ersten beiden Zeilen reimen sich und haben je drei Hebungen, die beiden nächsten paargereimten Zeilen haben dann beide jeweils vier Hebungen, dann folgen wieder drei Hebungen im nächsten Paarreim usw. Das sorgt dafür, dass ein sehr glatter Lesefluss entsteht - im Gegensatz dazu wird beim Querreim "gegen den Strich" gebürstet:
Zwei Zeilen, die sich reimen, haben hier immer eine unterschiedliche Anzahl an Hebungen, wobei Reime und Hebungen aber durchaus regelhaft über die Zeilen verteilt werden, also z. B.

paargereimt:

Z1: 4-Heber mit Reimendung A
Z2: 3-Heber mit Reimendung A
Z3: 4-Heber mit Reimendung B
Z4: 3-Heber mit Reimendung B

oder - in eKys Beispiel und kreuzgereimt:

Z1: 4-Heber mit Reimendung A
Z2: 5-Heber mit Reimendung B
Z3: 5-Heber mit Reimendung A
Z4: 4-Heber mit Reimendung B

Entscheidend ist also, dass die sich jeweils reimenden Zeilen immer eine unterschiedliche Anzahl an Hebungen haben, so dass ein - mehr oder weniger unterschwelliges - leichtes Holpern entsteht. :)

Sehr inspirierend das, lieber eKy (und lieber Thomas, via "Bande") und ein sehr schönes "Werkbeispiel" für den Querreim! :)

VG!

S.

Erich Kykal

Re: Vor der Schlacht
« Antwort #5 am: M?RZ 24, 2019, 15:09:30 »
Hi Suf!

Vielen Dank für die näheren Erläuterungen zum Thema Querreim. Wobei ich sagen muss, dass mir die Version mit dem Paarreimen (AABB) am wenigsten wirkungsvoll erscheint. ABBA funktioniert in dieser Vorgabe genauso und wirkt viel intensiver und eleganter.

Vielen Dank auch für die höchst erfreulichen Lobesworte zu meinem Versuch.  :)

LG, eKy

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Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Vor der Schlacht
« Antwort #6 am: M?RZ 25, 2019, 16:58:37 »
Vielen Dank für die näheren Erläuterungen zum Thema Querreim. Wobei ich sagen muss, dass mir die Version mit dem Paarreimen (AABB) am wenigsten wirkungsvoll erscheint. ABBA funktioniert in dieser Vorgabe genauso und wirkt viel intensiver und eleganter.

Es kommt m. E. immer drauf an, wie "elegant" die Sprache gefügt sein soll - gewolltes Ungelenkklingen ist ja kein ganz unübliches Vorgehen (manchmal wird das natürlich auch nur nachgeschoben, um eigene Defizite durch den Verweis "das soll aber so!" zu bemänteln  ;D )...

Und der klassische Gegenreim (oder Konterreim) setzt tatsächlich auf umarmende Reime (ABBA) und über Kreuz gesetzte Metrik (4-Heber - 3-Heber - 4-Heber - 3-Heber)... mein paargereimtes Schema ist also ziemlich unorthodox, war aber bewusst gewählt, weil halt auch das nicht gegengereimte Textbeispiel von Herrn Walther, in dem Reimzeilen und Hebigkeit korrespondieren, paargereimt war.

Ich bin aber der Meinung, jede Kombi von Reimschema und "gegen den Strich" gebürsteter Metrik sollte "erlaubt" sein. Wesentlich für die Wirkung ist m. E. die Vierzeiligkeit. Und der Effekt des "Holperns" dürfte - im Großen und Ganzen - umso ausgeprägter sein, je kurzsilbiger die Zeilen sind. Also beim Wechsel von 3- auf 2-Heber dürfte der Kontrasteffekt stärker sein als beim Wechsel von 6-Heber auf 5-Heber, denke ich.

Lg!

S.

Erich Kykal

Re: Vor der Schlacht
« Antwort #7 am: M?RZ 25, 2019, 18:11:24 »
Hi Suf!

Ich pflichte dir bei und gebe dir Recht.  :)

LG, eKy
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wolfmozart

Re: Vor der Schlacht
« Antwort #8 am: April 20, 2019, 16:07:16 »
Hallo Erich,

eine tiefgründige und gut ausgeführte Betrachtung zum Krieg.

Wobei deine persönliche Einstellung zu diesem Thema eher im Hintergrund gehalten wird.

Du gibst nur eine Situations-Beschreibung, der Leser kann sich einen eigenen "Reim" drauf machen.

Liebe Grüße wolfmozart

Erich Kykal

Re: Vor der Schlacht
« Antwort #9 am: April 20, 2019, 20:11:42 »
Hi WM!

Gute Dokus machen das genauso. Zeig einfach den Wahnsinn, der sich selbst entlarvt, langweile das Publikum nicht mit pathetischen Moralisierungen und entmündige und demütige sie nicht durch fertig servierte Meinung, die als Manipulation empfunden werden könnte.

Vielen Dank für deine freundlichen Einlassungen!  :)

LG, eKy
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