Autor Thema: Weniger kann mehr sein  (Gelesen 707 mal)

gummibaum

Weniger kann mehr sein
« am: August 13, 2019, 13:46:02 »
Plötzlich sehe ich genauer
als bisher, wie es so ist:
Deiner Liebe fehlt die Dauer,
weil du unersättlich bist.

Sandwich mal mit Horst und Heiner,
mal mit Hildegard und mir.
Besser zwei als einmal keiner.
Mich vereinsamt deine Gier.

Und nun fordert mein Gewissen
Flucht zu dem (ob es ihn gibt
oder nicht, wer kann das wissen),
der mich mehr als alles liebt…

Erich Kykal

Re: Weniger kann mehr sein
« Antwort #1 am: August 13, 2019, 22:16:57 »
Hi Gum!

Erotische Fixierung, Sexsucht, Nymphomanie - wie man es auch nennt, es ist auf Dauer ungesund ... und ich weiß, wovon ich rede! Ich bin dankbar, dass es bei mir in den letzten Jahren, wohl alters- wie krankheitsbedingt, etwas nachgelassen hat, aber ich bin noch immer ständig in Gefahr, mich in multiplen erotischen Fantasien zu verlieren, sobald auch nur ein einziger begehrenswerter Körper an mir vorbeidefiliert!
Lästig für einen arrivierten Geist, nach wie vor dem eigenen Körper, der eigenen Begierde so hoffnungs- wie hemmungslos ausgeliefert zu sein!

Da kann eine Beziehung schnell anstrengend werden für den, der da nicht mithalten möchte, weil Beziehung für ihn etwas anderes, Innigeres darstellt. Vor allem die Oberflächlichkeit des ständigen Partnerwechsels und -verschleißes, die Lieblosigkeit des rein mechanisch-orgiastisch-orgasmischen Abreagierens ist für die meisten Menschen liebestötend. Übrigens einer der Gründe, warum ich nie partnertauglich war: Ich wollte seit meiner Pubertät eigentlich immer nur ausufernden Sex und Kontrolle (aktiv sowie passiv), nie Liebe - ich wollte/konnte mich so keinem emotional empfindsamen Wesen antun, das mir womöglich Gefühle entgegengebracht hätte, die ich so nie hätte erwidern können ... - das wäre echt gemein gewesen!

Du hast das sehr trefflich verdichtet, betrachtet sozusagen von der anderen Seite!

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Weniger kann mehr sein
« Antwort #2 am: August 14, 2019, 09:30:19 »
Danke für die ehrlichen Worte, lieber Erich. Die quälende Gängelei des Geistes durch den Trieb kenne ich auch.

LG g




Sufnus

Re: Weniger kann mehr sein
« Antwort #3 am: August 14, 2019, 10:29:18 »
eKy hat es schon gut auf den Punkt gebracht. Wichtige, inhaltlich prägnante und formsicher verdichtete Zeilen, gum! :)
Ich mag vor allem das Bild vom Sandwich sehr gerne, weil es einen flapsigen und damit realitätsgesättigten Ton einbringt.
Ist die letzte Strophe eigentlich religiös zu verstehen? Es klingt für mich fast, als ob da von Gott die Rede ist. Aber wahrscheinlich war es nicht so gemeint, sondern auf einen liebenden Mitmenschen bezogen, oder?
Und in S1 ist eine minimale metrische Unebenheit enthalten: Bei "als bisher, wie es so ist" muss man das "es" etwas unnatürlich betonen, um im Metrum zu bleiben. Kann man leicht abändern, aber auch einfach so lassen, weil es eine gewisse Annäherung an ungebundenes Reden erzeugt, in dem es das Metrum etwas lockert.
LG!
S.

gummibaum

Re: Weniger kann mehr sein
« Antwort #4 am: August 15, 2019, 21:56:57 »
Danke, lieber Sufnus. Religiöses hatte ich nicht im Sinn. In V2 stand zunächst "wie alles ist". Als ich dann "alles" im letzten Vers brauchte, habe ich es in V2 durch "es so" ersetzt. Nicht optimal, das stimmt.

LG gummibaum