Hi eKy!
Das ist ein schönes, ja inniges, Lied auf eine kleine Stadt und man merkt dem Tonfall des Gedichts die Vertrautheit mit diesem Ort an. Das liest sich wirklich sehr schön und erhebend für mich, bis auf zwei kleine Stolperstellen.

- "ihr buntes Tägliches": Ich bin nie ein Freund ungebräuchlicher Substantivierungen von Adjektiven. Das Schöne, das Gute und das Kleine Schwarze lass ich mir gerne gefallen, aber "das Tägliche" klingt für mich mühsam präpariert und durch die Erweiterung mit einem zusätzlichen Adjektiv wird es für mich noch sperriger. Natürlich ist es nicht falsch, aber - zumindest für mich - klingt es unschön.
- "durch Straßen weiter außen ohne Hast": Abgesehen davon, dass der Bezug von "weiter außen" beim ersten Lesen für mich etwas unklar war, ist die Information, dass im Ortskern des Städtchens Gassen und weiter außen normal breite Straßen das Bild beherrschen etwas nichtssagend. Eigentlich kommt es doch in der Zeile auf die fehlende Hast an. Ob sich diese fehlende Hast wirklich auch in normalen Straßen beobachten lässt (sind in Freistadt auch die peripheren Anschluss- und Umgehungsstraßen verkehrsberuhigt?) ist für das Gedicht m. E. nicht so relevant.
Und jetzt haben meine Mäkeleien wieder viel Platz eingenommen und drohen das mit voller Überzeugung angestimmte Lob zu verdängen - da muss ich also doch noch mal ein Schleifchen meiner Leseerfreunis anschließen, um die Verhältnisse wenigstens in Teilen wieder ins rechte Licht zu rücken!
Zu diesem Behufe will ich also zum Abschluss vielleicht noch auf die besonders sangliche Sprachstruktur des Gedichts hinweisen. Die Zeilen würden sich hervorragend für eine Vertonung eignen (ich sprach eingangs schon von einem "Lied"). Und ich glaube, es gibt drei ziemlich einfache Mittel, um einem Text "Sanglichkeit" zu verleihen, die man hier schön studieren kann:
1) Das Metrum muss regelhaft sein (das wird Dich freuen, eKy!

), präferentiell ein Jambus oder Trochäus, weil die im Deutschen viel einfacher zu singen sind als Metren mit Doppelsenkungen
2) Die Zeilenlänge muss einen gewissen melodischen Bogen erlauben (darf also nicht zu kurz sein), sie darf aber auch den Atem des Sängers nicht überfordern (also auch nicht zu lang): Vier- und fünfhebige Metren dürften hier für den Durchschnittssänger das optimale Maß darstellen.
3) Jetzt kommt etwas, das klingt ein bisschen seltsam, ist aber m. E. ungemein wichtig: Es müssen längere Wörter vorkommen (drei, vier und fünfsilbig - noch länger wird wieder mühsam). Dieser letzte Punkt mag etwas provokant oder lustig klingen, ich meine das aber ganz ernst.

In vielen, ganz regelmäßig gebauten Gedichten leidet die Sanglichkeit daran, dass fast nur ein- und zweisilbige Wörter (und vielleicht noch ganz wenige dreisilbige) benutzt werden. Das führt aber dazu, dass Jamben oder Trochäen überhäufig mit dem jeweiligen "Wortmetrum" zusammenfallen, was die Sprache leiernd klingen lässt und sich bei Vertonung allenfalls für Marschmusik eignen würde. Man achte mal hier in eKys Gedicht darauf, wie die Wörter "Mauerkreise", "eingebettet" oder "Menschenmassen" zu einer Belebung der jeweiligen Zeilen beitragen. Wer schön vertonbare Liedtexte schreiben möchte, merke sich diesen sehr einfachen Trick.

LG!
S.