Autor Thema: Die Verbitterte  (Gelesen 1241 mal)

Erich Kykal

Die Verbitterte
« am: August 18, 2018, 12:10:21 »
Wer ritt ihr ihre schöne Welt zuschanden?
Wer plünderte in frühen Jahren schon
das bunte Märchenschloss der Illusion?
Wie kam ihr alles Kindliche abhanden?

Und mit den Seligkeiten, die entschwanden,
verblassten ihre Lieder, und der Ton
der Tage wurde leidend, und der Thron
des Märchenprinzen aus den Märchenlanden

steht nun verwaist, verstaubt in ihrem Herzen.
Getilgt das Heilige, gelöscht die Kerzen
am Tabernakel ihrer Seligkeit,

entlässt sie sich ernüchtert in ein Leben,
das nichts behalten will in seiner Zeit
und weder nehmen mag noch etwas geben.
« Letzte Änderung: September 10, 2018, 21:31:04 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Die Verbitterte
« Antwort #1 am: August 18, 2018, 12:42:16 »
Schöne Charakterisierung einer Enttäuschten, die sich aufgegeben hat, lieber Erich. Aber die Realität ist ja nicht allein schuld. Manche Menschen sind die trotz schwerer Rückschläge diejenigen, die aufmuntern.  Andere dagegen klagen schon nach kleinen Enttäuschungen, philosophieren das Negative als einzige Wahrheit und entziehen ihrer Umgebung als Jammerbild alle Freude.

LG gummibaum

 



 

wolfmozart

Re: Die Verbitterte
« Antwort #2 am: August 18, 2018, 14:11:42 »
Sehr tiefgründig. Und sehr ernüchternd. Wahrheit tut oft weh.

Lieben Gruß

wolfmozart

Erich Kykal

Re: Die Verbitterte
« Antwort #3 am: August 18, 2018, 18:01:46 »
Hi Gum!

Ich scheue ebenfalls schon kleine Rückschläge, interessanterweise bleibe ich bei großen völlig ruhig. Allerdings verderbe ich keinem Umfeld die gute Laune, da ich mich fast jedem sozialen Kontakt entzogen habe. Es gibt schlicht kein Umfeld, und bei Berufskollegen bin ich zwar als sudernder Zyniker verschrien (wohl meine Art, sich im Negativen zu suhlen), aber nicht als gebrochene Jammergestalt. Dazu wäre allein schon mein Stolz zu groß ...  >:D


Hi WM!

Das Problem ist immer, dass "Wahrheit" für jeden von uns etwas anderes bedeutet. Zuweilen sind die Unterschiede gerungfügig, zuweilen liegen sie Welten auseinander.


Vielen Dank für eure Gedanken!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: April 03, 2022, 10:35:01 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Die Verbitterte
« Antwort #4 am: August 20, 2018, 11:05:15 »
Klang, Rhythmus, Reim, Gedankenführung... alles ohne Fehl & Tadel. Ein klassischer, perfekt gefügter Kykal! :)
Vor allem berührt mich die letzte Zeile, die mit knappen Worten beschreibt, wie die Verbitterte gänzlich aus der Welt gefallen ist, kein Glück mehr annehmen oder spenden kann.
Sehr sehr gerne (soweit hier "gerne" angesichts des traurigen Inhaltes das richtige Wort ist) gelesen!
S.

Erich Kykal

Re: Die Verbitterte
« Antwort #5 am: August 20, 2018, 16:30:20 »
Hi Suf!

Vielen Dank für das vollmundige Lob!  :)

Ich gebe zu, der Text ist autobiografischer als ich wahrhaben will - es geht zwar um eine Frauengestalt, aber im Grunde ist das auch wieder so eine Selbstbeschreibung. Romantik und Vertrauen in Gefühle wurden mir frühzeitig und gründlich ausgetrieben!  ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Lieber Erich -
« Antwort #6 am: August 22, 2018, 09:05:57 »
Dein Gedicht ist sehr deprimierend und bestürzend. Genauso wie Deine letzte Antwort.
Manche Verse treffen auf mich auch zu, und das erschreckt mich.

Aber wenn das Schlimme in so gelungene Strophen gekleidet wird, jubelt mein altes Dichterherz.

Ganz lieben Gruß
von
Cypi

Egal wann und wo: Nase in den Wind!
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Die Verbitterte
« Antwort #7 am: August 22, 2018, 14:31:58 »
Hi Cypi!

Mit solchen Texten ist es wie mit Horoskopen: so wie dort eigentlich fast jeder Sternzeichentext (und nicht nur dein eigener) auf dich Zutreffendes zu enthalten scheint, so findet auch hier fast jeder Leser irgendwo und -wie gewisse Parallelen. Bei Horoskopen ist das geschickt gemachte gewollte Manipulation, denn wer liest schon ALLE Sternzeichen!? Nein, man liest nur das eigene - und findet so gut wie immer ausreichend Zutreffendes, um sich zu wundern. Erkennbar wird der Betrug erst, wenn man alle Texte liest und feststellt: Man findet sich - zumindest teilweise - fast überall wieder, weil die Eigenschaften nicht nur recht allgemein beschrieben werden, sondern weil die meisten davon bis zu einem gewissen Prozentsatz in uns allen angelegt sind und nicht nur spezeiell bei diesem oder jenem Sternzeichen auftreten.
So kann man die Masche leicht durchschauen - man muss nur über den eigenen Hutrand hinausblicken ...  ;)

Bei mir ist von bewusster Einflussnahme natürlich keine Rede. Es ist nur so, dass gewisse beschriebene Inhalte mehr oder weniger auf alle Menschen zutreffen, seien es Erlebnisse oder mehr oder minder dominante Charaktereigenschaften. Und mit Desillusionierung, wie oben bedichtet, muss sich wohl so gut wie jeder irgendwann in seinem Leben auseinandesetzen!  ::)

Vielen Dank für deinen Jubel!  :-*

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Die Verbitterte
« Antwort #8 am: August 23, 2018, 09:11:24 »
du hast die Sackgasse eines verbitterten Menschen gut an den Bildern verdeutlicht, lieber Erich. Der Mensch lebt nicht allein vom Märchenprinzen-oder Prinzessin, Leben ist Kampf. Kampf um ein kleines, persönliches Glück und wer das annehmen kann, der wird immer auch glücklich sein. Nicht jeden Tag, aber doch meistens.
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Die Verbitterte
« Antwort #9 am: August 23, 2018, 13:03:11 »
Hi Agneta!

Das Leben kann hart, grausam, unfair sein - aber wir wachsen an den Herausforderungen, reifen innerlich. Manche zerbrechen auch daran - vormehmlich jene, die von kleinauf allzu behütet waren und dann an der Realität scheitern, weil sie nie rechtzeitig daran gewöhnt und abgehärtet wurden.
Solche Naiven und Seligen pflegen gern romantisierte Vorstellungen von universeller Gerechtigkeit, edlen Helden, großmütigen Rettern, die sie entweder selbst sein wollen oder die nichts eiliger zu tun haben können, als ausgerechnet für die jeweilige Blümchenseele, die sie erträumt, in die Schranken zu springen!

Solche geistigen Schutzreservate helfen ein Stück weit, sich die kalte Welt warmzuhoffen, aber sie schränken auch ein, machen angreif- und manipulierbar. Die ewige Ballkönigin, die auf ihren Märchenprinzen wartet, der gutgläubige Optimist, für den sich "alles schon irgendwie zum Guten regeln wird, wenn man nur positiv bleibt", der lebenslange Lotteriespieler, der immer "nächste Woche ganz bestimmt" die große Million gewinnt, der chronisch hilfsbereite Menschenfreund, der nie auch nur auf den Gedanken kommt, jemand könnte ihn ganz bewusst und willentlich ausnützen, usw ... , usf ... - die Liste erscheint schier endlos!  ::)

Und jene, die sich dann doch hintergangen, enttäuscht und benutzt finden, laufen Gefahr, dass ihre kleine "heile Welt" dann ersatzlos zusammenbricht - und sie selbst brechen womöglich gleich mit auseinander! Davon erzählen meine Zeilen ...

Vielen Dank für deinen Kommi!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juli 10, 2021, 21:35:28 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Die Verbitterte
« Antwort #10 am: September 10, 2018, 15:08:47 »
Ein Mensch kann in seinem Leben trotz aller Widrigkeiten glücklich sein, auch durch gelebte und geliebte Erinnerungen.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Martin Römer

  • Gast
Re: Die Verbitterte
« Antwort #11 am: September 10, 2018, 16:51:07 »
Normalerweise, Schmusekatze, hör ich aus den Nächten singen etwas von süßer Lethe oder der Lieblichkeit ewigen Vergessens. Kein Klischee – in meinem zweiten Leben möchte ich Ladungen des Erinnerns nicht so gerne haben. ;D Widrigkeiten – werden uns zum angenehmen Wind auf quasi unschuldvoll beseelten Weiden.

Wir sind ja heute öfters auf Terrasse, als in meinen Träumen, kleine Tussi.

Wenn eine Lyrik so durchkomponiert daherkommt, umfängt mich die Leere. Verschiedene Ecken, verschiedene Entzückungen!

Von der letzten Zeile fühlte sich damals mein halkyonisches Herz ein bisschen bedrängt, das darin eher eine gesunde Haltung sieht und dabei nicht behindert-bourgeois geheißen werden möchte.

Fürliebnehmen mit dem Freundchen
M

cyparis

Re: Die Verbitterte
« Antwort #12 am: September 11, 2018, 12:18:53 »
Lieber Martin,

m e i n  halkyonisches Herz ist noch ungeteilt - das dürftest Du wissen. ;)
Es schlägt noch immer rasch-rasch-pause-rasch-rasch.

Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte