Autor Thema: Osterritus  (Gelesen 1346 mal)

Erich Kykal

Osterritus
« am: April 09, 2022, 10:45:55 »
Und wieder wird es Zeit für Rituale,
als könnten wir nicht ohne ebendiese
gemeinschaftlich bestehen. Die Verliese
des Geistes drehen weiter die Spirale

von stumpfer Wiederholung: Deren Bande
versichern schwache Seelen ihrer Nähe
im Trost, den ohne Handlung keine sähe
in einem in Konsens erstarrten Lande.

Den einen ist es heiligste Verrichtung,
den anderen nur Brauchtum, Kolorit,
doch viel zu viele machen eifrig mit
bei dieser zerebralen Fehlgewichtung.

Wann wird die Menschheit jemals wohl erreifen,
kann ohne Krücken aufrecht stehn und handeln
und diese Welt in einen Ort verwandeln,
den alle als den besseren begreifen?
« Letzte Änderung: Januar 05, 2023, 13:13:47 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Osterritus
« Antwort #1 am: April 09, 2022, 18:53:23 »
Lieber Erich,

treffliches Gedicht über die Zweifelhaftigkeit der Bewahrung leerer Formen.

Wer an der Welt leidet, könnte es ja ändern, aber die Flucht in den Balsam von Mythos und Ritus scheint einfacher. Einmal so programmiert, halten Denken und Fühlen zäh daran fest.

Sehr gern gelesen.
Liebe Grüße von gummibaum


Manche bringen auch schon einiges durcheinander:


Wie schön, dass wieder Ostern ist,
und Jesus durch den Garten springt,
ein Osterlämmchen pflückt und frisst,
und bunten Kindern Eier bringt.

Und toll ist auch, dass dieses Fest
ein Häschen, fast vom Tod besiegt,
im Jubel auferstehen lässt,
damit es bald zum Rammler fliegt…

« Letzte Änderung: April 09, 2022, 18:55:07 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Osterritus
« Antwort #2 am: April 09, 2022, 23:38:14 »
Hi Gum!

Nett durcheinandergewürfelt, dein Osterbrauch!  ;D So könnte es in zukünftigen Museeen dereinst gedeutet werden, wenn Menschen in 10.000 Jahren Ausgrabungen über unsere Epoche machen und die marginalen Überreste sinnstiftend zu interpretieren versuchen ...  >:D ;) ;D

Das Ritual ist Gesellschaftskitt - wer daran rüttelt, begeht für die meisten ein Sakrileg der Untergrabung dessen, was und worüber sich diese Gemeinschaft definiert. Aber sollten wir nicht irgendwann fähig ein, unsere sozialen Konglomerate über würdigere Elemente zu definieren als über diese von dir so trefflich bezeichneten "leeren Formen"?

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Osterritus
« Antwort #3 am: April 13, 2022, 15:28:58 »
Mein lieber eKy!

An dem Punkt der Religionskritik kommen wir zwei nicht so recht zusammen - obwohl ich ja durchaus schwer auf der atheistischen Seite unterwegs bin und großen Teilen des Bodenpersonals (vulgo: Mönche/Priester/Mullahs/Schamamen etc.) der diversen Gottheiten - zurückhaltend formuliert - äußerst kritisch gegenüberstehe. Dennoch glaube ich zutiefst daran, dass nur eine pluralistische Gesellschaft, in der auch exzentrischen oder sogar unsinnigen Haltungen ein ordentlicher Freiraum zugestanden wird, wirklich lebenswert ist.

Dieser Freiraum hat wohlgemerkt da seine Grenzen, wo die Freiheit des Andersdenkenden (ich liebe das zugehörige Zitat von Rosa L. sehr) in Frage gestellt wird!

Wenn mir also irgendein verlauster Mullah erzählen will, ich solle gefälligst so-und-so-oft-mal gen Mekka buckeln oder ich dürfe kein Abbild des Propheten anfertigen oder kein Schnitzel Figlmüller Art zu mir nehmen, dann werde ich äußerst humorlos darauf reagieren. Dito, wenn mir ein dämlicher klimabewegter Gutmensch in Missionarshaltung (ich meine jetzt nicht die sexuelle) gegenübertritt und mich von seinem Way-of-Life überzeugen will. Das geht alles gar nicht. (zum letzten Punkt: Eine Reduktion von CO2-Emissionen ist natürlich trotzdem essentiell - gar keine Frage! Das ganze bekommt nur bei einigen FFF-Gläubigen doch beunruhigend übergriffige Züge.

Und um bei der Religion zu bleiben: Eine religiöse Organisation, die nicht fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht, die sollte meines Erachtens (Religionsfreiheit hin oder her) knallhart verboten werden. Wenn ich (selbstredend demokratischer ;) ) Kaiser von Deutschland wäre, würde das als erstes die diversen zauselbärtige Scharia-Pseudos treffen, die Frauen zu Menschen zweiter Klasse degradieren. Dann käme die russisch-orthodoxe Kirche an die Reihe, von deren Deutschlandniederlassungen ich mal ein ganz klares Statement zu Putin (aber auch zur Homosexualität oder zu anderen Religionen) abfragen täte und als nächstes schlüge der Blitz bei der verlogenen katholischen Kirche ein, die wenn man genau hinschaut mit Pluralismus und dem Alle-Menschen-sind-gleich-Grundsatz durchaus ihre Probleme hat.

Also von daher bin ich wohl eher unverdächtig, auf religiöse Hardliner unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit allzuviele Rücksichten zu nehmen. Etwas ganz anderes ist es aber bei religiösen Menschen, die sich mit ihrem Glauben niemandem aufdrängen. Selbst wenn dieser Glaube mir dann noch so unsinnig erschiene, würde ich es schön finden, dass er seinen Platz auf dem großen Markt der Ideen findet. Wie gesagt: Die Freiheit des Andersdenkenden ist die rote Linie dabei.

Und wenn ich unter dieser Prämisse auf die Zeilen von Dir schaue, lieber eKy, dann scheinen sie mir eher einen Angriff auf die pluralistische Idee darzustellen. Am Ende sollen doch bitte alle nach der Pfeife des lyrischen Ichs tanzen und sich an dessen aufgeklärter Sichtweise der Welt ein Vorbild nehmen - bei sowas gehen bei mir ein paar Alarmlichter an... insofern hält sich bei diesen Zeilen meine Begeisterung in Grenzen. Verstehst Du das Problem? Ich sehe Dich in der Story in der Rolle des "Bekehrers" und damit (auch wenn Deine Absichten ehrenvoll sind) irgendwo auf Augenhöhe mit einem nervigen Missionar in Diensten irgendeines Glaubens. Dass Du im Gegensatz zu meinethalben einem verstrahlten Yogijünger die Ratio auf Deiner Seite hast, tut hier für mich nix zur Sache.

Du kannst mich aber gerne der Missinterpretation überführen. Diese Überführung - das sag ich aber schonmal gleich - wird Dir jedoch nur überzeugend gelingen, wenn Du Dich dazu durchringen kannst zu sagen, dass Du kein Problem mit Leuten hast, die einen vollbärtigen Opa, einen zotteligen Typ und einen Vogel als höchste Wesenheit verehren (sprich: Du lässt solche Typen in Ruhe, vorausgesetzt, die lassen auch Dich in Frieden) :)

LG!

S.

Erich Kykal

Re: Osterritus
« Antwort #4 am: April 13, 2022, 17:44:58 »
Hi Suf!

Ich glaube, du bist da interpretativ völlig auf dem Holzweg, nix für ungut.

Ich prangere die unfertige Bedürftigkeit der Menschheit auf evolutionärer Basis an - diese global betrachtet insgesamte Unreife halbgarer Gehirne (wir sind ja noch lange nicht ausevolviert, auch wenn heilige Bücher uns als "Ebenbild Gottes" kolportieren ...), die so leicht von längst wissenschaftlich Widerlegtem, aber selbst vom abstrusesten Unsinn zu übereugen sind, bloss weil das für sie tröstlicher erscheint als nackte Objekvität und ein klarer Blick auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung bezüglich der Existenz von Göttern im bereits bekannten Universum.

Dem Einzelnen, so er niemandem damit ans Bein pinkelt oder missonieren will (was immer der Hybris entspringt, dass die eigene Lehre und damit man selbst besser wäre als alle anderen ...), gönne ich seine verqueren Welterklärungsmodelle, so er ohne nicht leben möchte, von Herzen.
Wenn er stark im Glauben ist und ohne Minderwertigkeitskomplex, wird er sich von einem wie mir, der sein demokratisches Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch nimmt, auch nicht herausgefordert oder gar "religiös beleidigt" fühlen - was eben nur diesen Minderwertigkeitskomplexlern passiert, denn ihr Sebstwert hängt leider ganz an ihrer religiösen Idenität und verträgt daher keinerlei abweichende Meinung, die immer sofort als persönlicher Angriff empfunden und lauthalsend als "Gotteslästerung", sprich "Blasphemie" angeprangert wird, so als dürfe man grundsätzlich nichts Negatives oder auch nur kritisch Hinterfragendes über irgendeine Form des Glaubens sagen, ohne soziale Ächtung oder gleich ein Todesurteil zu verdienen.

Wer sich also von meinem "Werd erwachsen, Menschheit!" schon unangenehm berührt fühlt, sollte vielleicht mal die eigenen Gedanken dazu erforschen, und wie er dazu kommt.  ;)

Meine letzte Strophe bezieht sich nämlich keineswegs auf gesellschaftlichen Pluralismus, sondern auf die Hoffnung, dass endlich irgendwann alle Menschen innerlich stark genug sein mögen, zerebral wie emotional, sich der wahren Realität des Universums zu stellen, basierend auf klarer Wahrnehmung wissenschaftlich beweisbarer Faktenlage und objektiver Gewichtung von Wahrscheinlichkeiten, was die Plausibilität religiöser oder verschwörungstheoretischer Welterklärungsmodelle angeht.
DAS ist der "Ort, den alle als den besseren begreifen".  :)

LG, eKy

« Letzte Änderung: Januar 05, 2023, 13:17:58 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Osterritus
« Antwort #5 am: April 14, 2022, 09:18:23 »
Zitat von: Erich Kykal
Ich glaube, du bist da interpretativ völlig auf dem Holzweg, nix für ungut.

Au contraire - Deine Antwort zeigt mir eher, dass ich genau richtig liege. ;)

Zitat von: Erich Kykal
Ich prangere die unfertige Bedürftigkeit der Menschheit auf evolutionärer Basis an

Anprangern - an den Pranger stellen - ist ja nun schon etwas mehr, als nur seine Meinung zu etwas zu äußern und geht zumindest potentiell ins Übergriffige. Es ist schon mal ein Unterschied, ob man völlig statthafterweise Dinge sagt wie: "Mit Religion kann ich nix anfangen" oder "Ich glaube nicht an Gott" oder  "Wer an Gott glaubt, ist sehr irrational" oder ob man eben "anprangert", sprich: andere Menschen bewusst erniedrigt, mit Aussagen wie: "Wer religiös ist, der hat ja wohl nicht alle an der Waffel" oder "Wer an Gott glaubt, ist ein erbärmlicher Wicht, der evolutionär schwer zurückgeblieben ist". Wohlgemerkt, auch diese "Anprangerungen" sind noch im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit (ich liebe zusammengesetzte Hauptwörter) durchaus vertretbar, aber sie wirken schon als sozialer Spaltpilz und tragen zur Klimavergiftung bei - insofern empfinde ich sie als nicht zielführend, wenn auch natürlich (Pluralismus!) durchaus völlig "erlaubt".

Womit wir zum Thema "Pluralismus" kommen:

Zitat von: Erich Kykal
Meine letzte Strophe bezieht sich nämlich keineswegs auf gesellschaftlichen Pluralismus

Das ist jetzt mein entscheidender Punkt: In Deinem Gedicht und Deinem Kommentar zu meiner Anmerkung outest Du Dich - zumindest auf dem Gebiet der Religion (bzw. Nicht-Religion) eben genau NICHT als Pluralist sondern als jemand, der nur EINE Position (nämlich die eigene) anerkennt und durchsetzen möchte. Das ist genau das Schema, dass auch religiöse Fanatiker verfolgen (nur eben unter umgekehrten Vorzeichen) und insofern sinkst Du hier auf deren Niveau.

Dabei - das ist mir hier noch wichtig zu betonen - macht es allerdings schon einen Unterschied, ob man wie ein religiöser Fundamentalist eine Gesellschaft im Ganzen umbauen möchte oder ob man - wie Du als a-religiöser Fundi - "nur" einen Teilaspekt, eben die Gläubigkeit ausgemerzt sehen wollen würde. Insofern bist Du nur ein partieller Antipluralist, der zwar im Bereich des "Transzendenten" eine Meinungshomogenität anstrebt, aber - das hast Du ja mit Deinen Gedichten und Kommentaren zu anderen Themen gut ausgewiesen - in anderen Gesellschaftsbereichen die Vielfalt eines Meinungsspektrums durchaus als wünschenswert begreift.

Ich persönlich (obwohl wie mehrfach betont atheistisch unterwegs) hoffe geradezu, dass es immer Menschen geben wird (solange diese schräge Spezies halt im Daseinsspiel mitmischt), die auch eine zu meinem Atheismus abweichende Meinung vertreten und an irgendetwas Höheres glauben, ob nun Jupiter, Jahwe oder Spaghettimonster ist mir da logischerweise ziemlich wumpe. :)

LG!

S.

Erich Kykal

Re: Osterritus
« Antwort #6 am: April 14, 2022, 13:49:36 »
Hi Suf!

Du stellst also im Geiste des Pluralismus die Überzeugung von der alleinigen Anerkennung des wissenschftlich Beweisbaren im bereits bekannten Universum, was Götter extrem unwahrscheinlich erscheinen lässt, auf ein und dieselbe Stufe und damit auf denselben Grad intellektueller wie kultureller Wertigkeit wie das Spaghettimonster und all die durchaus ernst gemeinten Substitite abergläubischer Verirrung, die man so gemeinhin Religionen nennt? (Wobei das Erstgenannte ja gerade eine ironische Lächerlichmachung der Letzteren darstellt und m.E. daher nicht als Argument zählen kann ...)

Wenn also Pluralismus bedeutet, dass ich kritik- und kommentarlos akzeptieren soll, dass soziale Dressur, Dummheit und Bedürftigkeit denselben kulturellen Stellenwert zu genießen hätten wie das Bemühen um Objektivität im Rahmen des Nachweisbaren und das Selbstbewusstsein wie die innere Stärke eines Menschen, der keines Gottes bedarf, weder um sich Trost zu verschaffen, noch um sich bezüglich seiner Taten vor einem jenseitigen Gericht rechtfertigen zu müssen - dann bin ich in diesem einen Punkte GERN ein Antipluralist - und werde es gewisslich immer bleiben!

Ich KANN einfach nicht dazu schweigen, dass Menschen sich freiwillig klein machen, geradezu kriecherisch um Vergebung flehen, sich mit jenseitigem Lohn bescheiden, manipulierbar durch die Schergen des jeweils übergestülpten Systems der geistigen Unterdrückung und Entmündigung!
Ich KANN einfach nicht dazu schweigen, dass Menschen ihre antike Fantasy derart bierernst nehmen und sie (und damit sich selbst als deren Sprachrohre und Vollstrecker) zu solcher Wichtigkeit stilisieren, dass sie bereit sind, dafür zu erobern und zu morden, oder im Namen ihrer zornigen Götter sogar Kinder verstümmeln!
Ich KANN einfach nicht dazu schweigen, dass dieser ganze geistige Versklavungsmüll und die Kulturzecken, die ihn verbreiten und lebendig halten, die Menschheit weitere Jahrtausende völlig umsonst entzweien und aufeinanderhetzen, so als verbreiteten die politischen Winkelzüge soziopathischer Machthaber nicht schon genug Übel in der Welt!

Ich KANN einfach nicht als gleichwertig anerkennen, was es nach meiner Überzeugung niemals sein kann, und niemals hätte sein dürfen!
Ich KANN jene zumindest akzeptieren und tolerieren, die ihren jeweiligen Mumpitz im stillen Kämmerlein abfeiern und niemanden damit belästigen - nicht mal die eigenen Kinder!
Aber sobald jemand Kirchen, Tempel oder Moscheen baut, die eigenen Kinder in seinem Sinne religiös schult, sobald Staatsreligionen erklärt werden usw. - hört sich für mich der wahre Kern des Pluralismus ohnehin auf, denn genau das ist ebenjene unlautere Einflussnahme, wie du sie mir hier unterstellt hast.

So lange jemand das Recht hat, die eigenen Kinder in seinem Sinne zu indoktrinieren, oder die Öffentlichkeit mit entsprechendem Auftreten, abgefeierten Ritualen und mit seinen überkandidelten Sakralbauten aufdringlich zu belästigen - so lange behalte ich mir das Recht und die Pflicht vor, gegen jede Form unbewiesener und de facto unbeweisbarer bierernst genommener Spaghettimonster vorzugehen!
Mit Argumenten der Vernunft und der Menschlichkeit - aber darin mit demselben Furor und derselben Überzeugung, wie jene Akoluten des Aberglaubens es weitweit seit Aberjahrtausenden praktizieren, so als könne man eine Gemeinschaft nicht anders definieren. Bloß, dass ICH niemanden foltern oder hinrichten lasse, der es wagt, mir zu widersprechen ...  ;) 8) >:D

Pluralismus ist für mich nämlich nicht überzogene Toleranz für jedweden verzapften Blödsinn, sondern beinhaltet auch das Recht, anders lautende Ansichten öffentlich vertreten zu dürfen, ohne dass die bessermenschelnde Beschwichtigungsmafia über einen herzieht, als wäre man der eigentliche Schädling im System.

LG, eKy
« Letzte Änderung: April 15, 2022, 18:04:12 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Osterritus
« Antwort #7 am: April 14, 2022, 14:41:18 »
Lieber Sufnus,
Zitat
Dieser Freiraum hat wohlgemerkt da seine Grenzen, wo die Freiheit des Andersdenkenden (ich liebe das zugehörige Zitat von Rosa L. sehr) in Frage gestellt wird!

Wenn mir also irgendein verlauster Mullah erzählen will, ich solle gefälligst so-und-so-oft-mal gen Mekka buckeln 
Gefällt mir sehr gut.
Beislgrüße
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Osterritus
« Antwort #8 am: April 20, 2022, 15:27:24 »
Hi eKy! :)


Zitat von: Erich Kykal
Du stellst also im Geiste des Pluralismus die Überzeugung von der alleinigen Anerkennung des wissenschftlich Beweisbaren im bereits bekannten Universum, was Götter extrem unwahrscheinlich erscheinen lässt, auf ein und dieselbe Stufe und damit auf denselben Grad intellektueller wie kultureller Wertigkeit wie das Spaghettimonster und all die durchaus ernst gemeinten Substitite abergläubischer Verirrung, die man so gemeinhin Religionen nennt?

Das obige ist 1) eine polemische Unterstellung und 2) dummes Zeug und hat 3) mit meinen Ausführungen nix zu tun.

Und auch im Fortgang agitierst Du mit beachtlichem rhetorischem Aufwand im Stile eines aufwieglerischen (G)Eiferers. Ich habe an keiner Stelle Dein Recht auf freie Meinungsäußerung oder sonst irgendetwas beschnitten und wenn Du Dich über Mullahs, Aluhutträger oder die Kombi aus beidem aufregen willst, feel free - wahrscheinlich gibt es dabei manchmal sogar Szenenapplaus von mir.

Dass Du die geplatzte Hutschnur allerdings im Tonfall eines Fanatikers zelebrierst, der auf die größte aufzutreibende Obstkiste gestiegen ist, um der erschrockene Zuhörerschaft mal so richtig einzuheizen, erfüllt ich doch etwas mir Sorge.

Nochmal (und zum wiederholten Mal), das ändert nichts daran, dass Du Deine Meinung gerne weiter so verkünden darfst/sollst/kannst. Also sind wir im folgenden Punkt völlig einer Meinung:

Zitat von: Erich Kykal
Pluralismus ist für mich nämlich nicht überzogene Toleranz für jedweden verzapften Blödsinn, sondern beinhaltet auch das Recht, anders lautende Ansichten öffentlich vertreten zu dürfen, ohne dass die bessermenschelnde Beschwichtigungsmafia über einen herzieht, als wäre man der eigentliche Schädling im System.

So ist es! Amen! Eine pluralistische Gesellschaft lebt sogar geradezu davon, dass man das, was man für Blödsinn hält, auch als solchen bezeichnen darf und der Blödsinnigkeitskritisierte darf dann natürlich gerne begründen, warum es sich womöglich doch nicht um Blödsinn handelt und der Kritiker darf sich von den Argumenten dann gerne auch NICHT überzeugen lassen. Alles fein, so soll es sein.

Das einzige Problem ist, dass jede pluralistische Gesellschaft auch ein bisschen den Keim ihres eigenen Untergangs in sich trägt, weil gelebter Pluralismus schnell in ein übles rhetorisches Aufeinandereinprügeln ausartet, welches, wenn es dumm läuft, im Anschluss in eine physische Keilerei übergehen kann. Dann setzt sich irgendwann der Stärkste durch und Adieu Pluralismus.

So ein richtig wirksames Gegenmittel gibt es dagegen (noch) nicht; im wesentlichen ist die Zerfallswahrscheinlichkeit einer pluralistischen Gesellschaft eine Funktion ihrer Komplexität (also davon abhängig, wieviele unvereinbare Meinungen die Gesellschaft versucht, unter einen Hut zu bringen). Eine gewisse Linderung dieses Problems kann erreicht werden, wenn (1) der Respekt vor der abweichenden Meinung des anderen allgemein als besonders hohes Gut anerkannt wird und (2) Kritik (auch deutliche Kritk) nicht gleich als unverzeihliche Majestätsbeleidigung verteufelt wird.
In Deiner Kritik religiöser Menschen gibst Du Dich aber so absolut, lieber eKy, dass Punkt (1) zumindest etwas ins Wackeln gerät und das provoziert natürlich dann entsprechenden Gegenwind (nicht von mir - ich bin hier ja eher vermittelnd unterwegs) und wir sind beim Aufeinandereinprügeln.

LG!

S.

Erich Kykal

Re: Osterritus
« Antwort #9 am: April 21, 2022, 17:21:00 »
Hi Suf!

Bin eben auch nicht perfekt, und Religionen sind eins meiner besonderen "Reizthemen", wenn nicht sogar das größste ... - da kann ich schon mal "absolut" werden. Dir als Kommentator wollte ich allerdings nie "an den Karren fahren" damit.

Was du in den 3 letzten Absätzen deines Kommis schreibst, kann ich jedenfalls gern und freudig unterzeichnen!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 05, 2023, 13:22:21 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Osterritus
« Antwort #10 am: April 22, 2022, 00:22:50 »
Hallo Erich,

dieses Gedicht hätte auch von Marx stammen können. Motto: Wir haben über uns: weder Kaiser, noch Gott, noch Tribun.

Was wir brauchen ist das Himmelreich auf Erden.

Dir einen schönen Abend!

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Osterritus
« Antwort #11 am: Januar 05, 2023, 13:41:01 »
Hi Roc!

Marx war ein weltpolitischer Idealist in einer Zeit, da Arbeiter bessere Sklaven waren und soziale Ungerechtigkeit noch viel alltäglicher war als heute. Er wurde auch oft genug im Sinne brutaler Diktatoren und Unterdrücker zurechtgedeutet, wie es großen Geistern so oft ergeht! (Ich bin sicher, derwahrscheinlich mit Maria Magdalene verheiratete Jesus hatte nie im Sinn, dass Kirchenfürsten später in seinem und seines Vaters Namen die Bibel so schrieben oder umdichteten, dass Frauen, so wie die 'Hure' Maria Magdalena in ihrer Version, praktisch entwertet und entrechtet wurden und als Träger der Ursünde das gesamte Mittelalter hindurch keine Rolle mehr spielen durften, es sei denn als zu verbrennende Hexen!)

Ich bin gewiss kein Kommunist. Ich halte das von Marx entworfene Konzept, so edel seine Motive auch gewesen sein mögen, für nicht tauglich, da es der menschlichen Natur zu sehr zuwider läuft. Ich bin überzeugt, auch ohne missbrauchende Korrupte wie Stalin hätte das 'Paradies der Werktätigen' nie dauerhaft funktioniert. Kein aufgesetzter Idealismus kann allzu lange gewisse Grundbedürfnisse des arttypischen Charakters unserer Spezies ignorieren. Was niemandem gehört, weil es 'allen gehört', darauf nimmt - nur für den Allgemeinnutzen - keiner Rücksicht, dafür übernimmt niemand wirlich selbstlos und freiwillig zehrende und aufwändige Verantwortung. Warum wohl sind in den den Bauern aufgezwungenen Kolchosen massenhaft die Landmaschinen verrostet, weil sich nach einer Weile niemand mehr unwillig dafür zur Verfügung stellen wollte, sie zu warten oder mit Ersatzteilen zu versorgen? - Nur um EIN Beispiel von vielen zu nennen, warum der Kommunismus zum Scheitern verurteilt ist.

Wie immer das Himmelreich auf Erden aussehen mag, damit es funktioniert - es ist mit Sicherheit NICHT kommunistisch!  ;) O0

LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 02, 2024, 11:19:41 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.